Internationaler Gedichtwettbewerb zum Jahr des Wassers 2010 in Kaufbeuren

Die glücklichen Gewinnerinnen und Gewinner von Platz 1 bis 15 sind:

 

1. Blau

Das Meer

Wellen rauschen beruhigend

Spülen die Sorgen weg

Frei

Isolde Unsin

 

 

2. Regen, Regen

Winde jagen Öl und Nässe

durch die graue, alte Stadt.

Im Kirchturm, hinter trüber Blässe

sammeln sich die Krähen; matt.

 

Kinder springen in die Pfützen

und jubeln, wenn es spritzt.

Sie schleudern ihre woll´nen Mützen

sonst wohin, verschwitzt.

 

Schon tagelang der öder Regen.

Es schüttet immerzu.

Und ewig harsche Winde fegen

um Ecken, ohne Ruh´.

Gefangene im eig´nen Haus,

dem Untergang geweiht ...?

Die Schwachen sehen ängstlich aus.

Wie lange ist noch Zeit?

 

Da reißt der Himmel jäh entzwei

als wär´ nie was gewesen.

Dem Nebel ist das einerlei -

er kriecht umher

nass und schwer

abends noch,

wie ein träges, schwarzes Tier.

 

Die Kinder, die sind heim gerannt.

Der Nebel kommt nun mit Gewalt -

er packt die Stadt mit grober Hand.

Kein Piep. Kein Licht, sobald.

Ralph Bruse

 

 

3. Elfentränen

Hinter allen hohen Bergen,

unter Tannen dicht an dicht,

wo das Moos ein sattes Grün hat,

sich das Licht im Blattwerk bricht,

 

liegt ein Tümpel tief  verborgen,

sagenschwer und rätselhaft,

trägt ein flüsterndes Geheimnis,

birgt im Wasser seine Kraft.

 

Denn es weinten tausend Elfen

Tränen so unendlich klar

um den großen Strom des Leben,

der heut Nacht gestorben war.

 

Um die Meere, die nicht atmen,

um die Flüsse taub und blind

um die einst so schönen Seen,

die nur noch vertrocknet sind.

 

Ihre Traurigkeit war endlos,

salzig füllte sich der Teich,

jede Träne ein Gedanke

an ein Tier im Wasserreich,

 

jede Träne eine Hoffnung,

dass dies Wasser nie versiegt

und das neu erwachte Leben

sanft auf seinen Wellen wiegt.

Karin Hufnagel

 

 

4. Am Fenster

Eine halb durchwachte Nacht

hat mein Herz zur Ruh´gebracht.

Draußen fiel es sanft in Flocken,

heimlich, wie um mich zu locken.

 

In der Stube flackert Licht

zittert schwach; doch stirbt es nicht -

hält sich, wärmt mich, macht mir Mut.

Erster Schnee; wie gut er tut.

 

Und die Liebste hat geschlafen,

als sich Mond und Sonne trafen;

hat gesäuselt, süß und leis´

in das schönste Morgenweiss.

 

Brauch´ nicht schwere Arbeit tun.

Sollte nach der Woche ruh´n.

Doch ich öffne alle Türen,

um mich tiefer zu verlieren.

Ralph Bruse

 

 

4. Betrachtung am Wellenkamm

Die maximale

nach oben gerichtete

Wasserspiegelauslenkung

mit schaumiger Kante

und ohne Verrenkung

des Materials

in die Fülle gefügt,

pfeilschnell vom Snapper

und Thunfisch durchpflügt,

den Algenschopf bürstender

Wellenkamm

auf messerscharfer

sich brechender Krümmung

in glitzernder, diamantener Stimmung

aus sprühenden Prismen

in brennenden Streifen

gebietet mir

 

Einhalt und tiefe Betrachtung,

bewunderndes Staunen,

dann Selbstverachtung

der satten Selbstverständlichkeit,

die alles nur nimmt,

nichts versteht, nichts verzeiht.

 

Die Welle bricht

in tosendem Fließen:

Ich möchte hinein

und das Chaos genießen!

Wolfgang Uster

 

 

6. In meinem Element

Vom Wasser umschlossen,

auf Wogen getragen,

spülen mich Wellen

wie Treibgut hinweg.

 

Nutzlos und träge,

der Ruhe ergeben,

steigend und sinkend,

fliehe ich fort.

 

Gelassen und schweigend

spür´ ich die Strömung

in Stille ertrinken

ich tauch´ wieder auf.

Andreas Glanz

 

 

6. Das Grab im Meer

Der Steuermann durch wilde Gischt

des aufgepeitschten Meeres Wogen,

mit starker Hand das Ruder hält.

Die Möwen waren hoch geflogen,

und drohend laut die Brandung zischt,

als wär´s der Untergang der Welt.

 

Dreizehn Mannen auf dem Boot,

und keiner über vierzig Jahr,

ein jeder hadernd mit dem Glück,

in jener Nacht, wo es geschah,

dass sie aus ihrer großen Not,

nicht lebend kamen mehr zurück.

 

Als im Kampf mit den Gewalten

das kalte Wasser tosend schwer

begrub die Todgeweihten unter sich,

an ein Entrinnen dachte keiner mehr,

das nasse Grab hat sie behalten,

nicht einer, der dem Tod entwich.

 

Es wird erzählt, sie träfen dort

sich im Getös´ der rauhen See,

einstimmend in den klagend Chor,

vom widerfahr´nen Leid und Weh

an jenem gottverlass´nen Ort,

an dem die Mannschaft eins erfror.

 

Die Toten hält Neptun im Bann,

nicht einen Mannen gab er frei.

So pilgert eine trauernd Schar

zum Strande, und vom Dorf herbei,

die Kinder, Frauen ohne Mann,

zu stiller Andacht Jahr für Jahr.

Franz Hoerschlaeger

 

 

8. Die Wasserfrau

Die Wasserfrau

ist mir verronnen,

in feinste Tröpfchen

eingesponnen,

durchgluckst

mit eines Seehechts Lachen

sie will mir

eine Freude machen

und saugt mich

in des Wirbels Kreisen,

schon atemstill erstickt

die weißen

und klammen Finger,

kaum Gefühl mehr,

die Wasserfrau

sie lächelt kühler,

und schäumig küsst

ihr nasser Rachen,

sie will mir

eine Freude machen

in tangverzierter

Muschelgruft,

aus meiner Lunge

blubbert Luft,

ich sinke

und

im Gallertreich

verschwebt mein Leib

so quallenweich,

kommt nicht mehr hoch,

taucht nicht mehr auf,

es rauscht mich noch

im Blutkreislauf,

durchstrudelt von

dem Wasserbiest,

mir graut vor ihr

mein Hirn zerfließt

im schlierig - satten

Strömungshauch

medusengleich

im Algen-

schlauch...

Es spült mich

aus dem Wellental,

so triefend,

träumend,

bleich und fahl.

Wolfgang Uster

 

 

9. Zeitab

Ein Blick auf die Wetterlage,

dann bind ich die Fangleine los

und treibe auf schwankendem Floß

hinunter die schiffbaren Tage.

 

Es ist ein so seltsames Gleiten

die trauernden Ufer entlang.

Winkende Birken am Hang

der milchig verschwommenen Zeiten.

 

Irgenwo wartet ein Hafen,

dann läuft das Floß auf den Grund.

Sanfter, nachtdunkler Mund

drängt mich, nun endlich zu schlafen.

 

Wie ist die Wetterlage?

Was dauert das Schweigen so lang?

Verschwommen am trauernden Hang

stumm sich entfernende Klage.

Helmut Glatz

 

 

10. Gesang

endlose Melodie weht weit

über blaue Rhythmen,

die an schroffschwarzer Kante

zu Synkopen brechen,

sich bäumen zu weißen Bergen

 

Schaumakzente

schlagen auflandig

über einen Leisten,

formen feucht

den Schuh, passgenau

den zig glitzernden Versfüßen

 

lang

und unbetont

das Ziehen,

Luftholen

bis der nächste Brecher

schnaubt

 

silbernes Huschen unten

spiegelt sich oben gefiedert,

bricht sich glitzernd

in der Mitte,

sticht ins Auge

 

so

anfang- und

endlos zieht die

Melodie hin

über das blaue Blinken,

dass man

an Großes

glaubt

 

die sandige Vielzahl

die salzigen Rhythmen

die wassrigen Schreie

die atmenden Farben -

alles so endlos

... fast wie ein Meer

Frank Wittmer

 

 

11. Die Paddeltour auf der Oertze

Flutend schwebt der Hahnenfu

langgestielt im Fließgewässer.

Teilt den Teppich wie ein Messer

unser Boot im Strömungsfluss.

 

Aus dem Weiderich das Blut

flammt in Uferfarbenringen.

Hebt sich schwer auf trägen Schwingen

dort ein Reiher aus der Glut.

 

Ölig tropfen heiße Nebel

von Insekten aus den Matten,

die wir schon durchdrungen hatten,

unser Boot, ein scharfer Säbel,

 

schneidet Pestwurz, jagt Eidechsen

üppig wilder Ufersäume.

Öffnen sich die Blütenträume

gelb in Teichrosengewächsen.

 

Frisch mäandert kühl der Meister,

Sonneglut pestet die Leiche

eines Mufflons dort im Reiche

filigraner Wassergeister.

 

Stürzt sich wild von Krummhornziegen

und vom Blatt der großen Mummel

hinter mancher trägen Hummel

Beißwerkzeug von Pferdefliegen

 

auf die zarte Haut an bloßen

Stellen frei gelegt beim Paddeln,

jucken quallig rote Quaddeln,

beißt es gierig durch die Hosen.

 

Wildes Schlagen treiben die Kähne

führerlos, wer um sich haut,

in das Uferfingerkraut

im Geschrei gepresster Zähne.

 

Fliegen, Mücken, Bremsen, Spinnen,

quer das Boot nun zur Kaskade,

Raupen, Egel, eine Made

tropfen von des Baumes Zinnen.

 

Augen, Nase, Mund und Poren,

wo sich eine Öffnung ringt,

schon ein Krabbeltier eindringt

süße Säfte auserkoren.

 

Da! - Die Strömung! - Wasserstrudel

heben wild des Kanus Rücken

und es hilft kein Gegendrücken,

stürzt ins Nass das Menschenrudel.

 

Eine schöne Paddeltour

auf der Oertze stillem Wasser,

Blütenelfen, zart und blasser

aus dem Fließkuss der Natur.

Wolfgang Uster

 

 

11. Spiegelbild

Einem Spiegel gleich

zeigt mir

das stille Wasser des Brunnens

mein Gesicht.

 

Ein kleiner Stein

hineingeworfen

von meiner Hand,

zerstört das Bild.

 

Und ich sah

im dunklen Wasser des Brunnens

das Spiegelbild

meiner zerrissenen Seele.

Iris Köhler-Terz

 

 

13. Unten

Als ich bei ihnen saß,

das braune Wasser aus der Schale trank

sie weiter reichte

 

sirrender Sandwind und nachts

die Gesänge der Stille.

 

Als ich bei ihnen saß,

vergaß ich den Durst.

 

Quellen

Über den Nebeln -

Schmelzendes Eis

Rinnsal aus Frische

 

hier unten

 

sauf ich aus dreckigen Tümpeln

die Eier der Würmer mit.

 

Und in den Städten zieht der Wasserjunge

seinen Wagen

von Hof zu Hof.

Wer zahlen kann, dem füllt

er die Tonne.

 

Ich saß mit ihnen

zwei Abende lang.

Bevor ich ging

da hatten

sie mich schon vergessen.

Herrmann Steffen

 

 

13. Komm zurück

Wo die Wellen träge schlagen

an den Strand der Abendstunde,

wo man einfach ruhen kann,

oder sitzt in froher Runde,

wo die Möwen kreischend stoßen

auf das Wasser silberhell,

dort bin ich und warte dein,

denn dort ist dein Lebensquell.

 

Wo die Wiesen saftig grün sind,

Gras so weich und traumgeprägt,

Bäume rauschen Liebeslieder,

wenn man sich darunter legt,

wo der Himmel endlos weit ist

und das Land sich eben dehnt,

dorthin komm und finde die,

die dich gar so heiß ersehnt.

 

Wo die Weiden leise schaukeln,

wenn der Wind sie küsst so zart,

wo die Fischer Netze ziehen

und der Aal im Ofen gart,

wo die Sonne rot ins Wasser

sich hinab senkt, dorthin geh.

Dort, nur dort wirst du mich finden:

Ein Stück Heimat. Plau am See.

Iris Köhler-Terz

 

 

15. Die Farben des Meeres

Meine Versuche -

liebes Meer -

deine Farbe zu ergründen:

vergeblich!

 

Wasser - soweit

mein Auge reicht!

Doch die Farbe?

Heute Morgen noch schien mir

du würdest dich eindeutig blau

am Horizont mit dem

Himmel vereinen.

 

Habe ich einen

smaragdenen Streifen,

der euch trennte,

dabei übersehen?

Wenig später fand ich dich

eher türkisfarben.

 

Jetzt - gegen Abend

bist du grau

wie das Haar,

das mir inzwischen

gewachsen ist.

 

Welche Farbe

hast du wirklich?

Deine Antwort

- liebes Meer

ist berauschend,

doch meine Frage

bleibt weiterhin offen ...

Thessy Glonner

 

 

15. Traumflug/Gefühle

Wenn meine Gedanken

fort fliegen,

kommen sie

nicht so bald zurück.

 

Dann sitze ich

wie damals am Ufer,

versuche blauäugig

das Meer

zu ergründen,

wünsche

die Zeit bliebe steh´n.

 

Sommerwind im Haar,

nackte Füße

im warmen Sand,

träumend von

deiner Zärtlichkeit

und vom wunderbaren

Gefühl der Geborgenheit

in deinen Armen.

Thessy Glonner

 

 

Die doppelte Platzierung einiger Gedichte ergab sich durch die gleiche Punktzahl in der Bewertung.

 

JurorInnen für den Gedichtwettbewerb:

Dr. Stefan Fischer / Kultur und Bildung

Joachim Schön / Volkshochschule

Eva-Maria Waldmann / Stadtbücherei

Sandra Lüttschwager / Bauer Verlag